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Hintergrundinformationen zur Legalisierung von Cannabis

 

Potenzielle Auswirkungen auf den Straßenverkehr und die Verkehrssicherheit

 

1.Einleitung

 

Mit einer Legalisierung von Cannabis wird nicht gleichzeitig das Fahren unter Cannabiseinfluss freigegeben.

Es gilt:

„Wer kifft, fährt nicht“ genauso wie „Wer trinkt, fährt nicht“

 

Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge weltweit. Eine Legalisierung von Cannabis ist eine gesellschaftspolitische Frage, es gibt sowohl Argumente dafür als auch dagegen. Die Frage, ob eine Legalisierung der richtige Weg ist, muss getrennt von der Verkehrssicherheit betrachtet werden. Durch eine Legalisierung von Cannabis wird nicht gleichzeitig das Fahren unter Cannabiseinfluss freigegeben.

Für den Straßenverkehr und die Verkehrssicherheit ist relevant, ob und wenn ja, welche Folgen ein zukünftig legaler Cannabiskonsum auf die Fahrtüchtigkeit und das Unfallrisiko hat.

Entsprechend sollte der Cannabiskonsum wie der Konsum von Alkohol beurteilt werden, soweit das wissenschaftlich, sachlich und von der aktuellen Datenlage her möglich ist. Ein ansatzweiser Vergleich mit Alkohol bietet darüber hinaus die Möglichkeit, Menschen für die Besonderheiten des Cannabiskonsums (Dosis-Wirkungsbeziehung) zu sensibilisieren und etwaige Auswirkungen auf den Straßenverkehr und die Verkehrssicherheit besser einzuschätzen.

Unerwünschte Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sind anzunehmen.

Daher gilt selbstverständlich: „Wer kifft, fährt nicht“.

 

2. Cannabiskonsum

 

2.1 Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC)

- Anders als bei Alkohol, baut sich der Cannabis-Wirkstoff THC 

  nicht linear im Körper ab

- Für THC gibt es keine gesicherte Dosis-Wirkungsbeziehung oder

  Konzentrations-Wirkungs-Beziehung wie es bei Alkohol der Fall ist

-THC kann sich im Körper bei häufigem Konsum anreichern

  (residuales THC)

-Cannabiskonsum beeinträchtigt u.a. die Konzentrationsfähigkeit

  und psychomotorische Leistungsfähigkeit

Die Wirkung von Cannabis ist vielfältig. Die Cannabispflanze enthält über 80 verschiedene Cannabinoide, von denen einige eine psychoaktive Wirkung besitzen. Die Rauschwirkung zeigt sich vorrangig in Form von Wahrnehmungsveränderungen sowie Euphorie- und Entspannungsgefühlen.

Als typische verkehrssicherheitsrelevante Nebenwirkungen des Cannabiskonsums können Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Müdigkeit und verminderter Antrieb sowie Einschränkungen des Denk-, Lern- und Erinnerungsvermögens auftreten. Außerdem kann es

zur Beeinträchtigung der psychomotorischen Leistungsfähigkeit kommen.

 

Für den Cannabis-relevanten Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) liegen keine eindeutigen Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen vor. Die Toxikokinetik von THC ist sehr komplex und

Konzentrationsverläufe kaum berechenbar. Auch die Kenntnis des THC-Wertes eines Cannabisproduktes bietet keine gesicherte Möglichkeit, Rückschlüsse auf den Konzentrationsverlauf zu nehmen. Hinzu kommt, dass bei einem regelmäßigen Konsum eine

Toleranzentwicklung und Anreicherung im Körper angenommen werden muss.

Nachdem die THC-Konzentration im Blut bereits nach dem Konsum einer kleinen Menge THC sprunghaft auf Werte oberhalb von 30 Nanogramm und mehr pro Milliliter Blutserum ansteigt, sinkt sie ebenso schnell wieder ab, verbleibt aber recht lange bei niedrigen Werten zwischen 1 und 5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum - insbesondere dann, wenn häufiger konsumiert wird.

Studien gehen davon aus, dass sich bei gelegentlichem Konsum (maximal einmal pro Woche) der THC-Wert im Blutserum nach 8 bis 12 Stunden unterhalb des analytischen Grenzwertes von 1 Nanogramm pro Milliliter Blutserum bewegt. Bei Personen, die häufiger konsumieren, können auch 24 Stunden nach dem letzten Konsum noch THC-Werte oberhalb von 1 Nanogramm pro Milliliter Blutserum festgestellt werden. Das tritt auf, da sich THC im Körper

anreichert (residuales THC).

 

2.2 Auswirkungen von Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit und Unfallrisiko

Die Studien- und Datenlage zum Unfallrisiko und zu den Auswirkungen auf das Fahrverhalten und die Fahrtüchtigkeit ist heterogen. Die oben genannten Nebenwirkungen des

Cannabiskonsums führen jedoch oftmals auch zu Einschränkungen im Fahrverhalten. Mehrere Studien haben gezeigt, dass unter Cannabiseinfluss häufig langsamer gefahren wird, es vielfach zu Problemen beim Spurhalten kommt und die Reaktionszeit verlangsamt ist. Gesicherte Unfallzahlen liegen bis dato nicht vor, da Cannabis als Betäubungsmittel zählt und somit unter das BtMG fällt und nicht differenziert in der Unfallstatistik erfasst wird. Bei Unfällen

oder Fahrten unter berauschenden Mitteln liegt aber sicherlich vielfach ein Cannabiskonsum (mit) zu Grunde.

 

3. Rechtlicher Rahmen und Grenzwert

 

Das Fahren unter Cannabiseinfluss stellt derzeit eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG und ggf. eine Straftat nach § 316 StGB dar.

§ 24 a StVG (ohne Auffälligkeit): Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein

Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. (…)

§ 316 StGB (mit Auffälligkeit): Wer im Verkehr (…) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen (Fahrunsicherheit), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft,

(…)

Der aktuelle Grenzwert für den Nachweis eines Cannabiskonsums ist ein analytischer Nachweiswert und beträgt 1 ng/ml THC im Blutserum. Der Wert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum liegt so niedrig, dass er den Nachweis des Cannabiskonsums ermöglicht, aber nicht zwingend einen Rückschluss auf eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung zulässt.

 

Mit der Legalisierung wird es unter anderem eine Änderung in

§ 24 a StVG geben, da Cannabis von der Liste der verbotenen, berauschenden Mittel gestrichen wird. Ob parallel eine Anpassung des Grenzwertes erfolgt, ist derzeit noch nicht gesichert.

 

Der aktuelle Nachweiswert führt in der Praxis dazu, dass aus juristischer Sicht möglicherweise in einem nicht vertretbaren Umfang Betroffene sanktioniert werden, bei denen sich eine Verminderung der Fahrsicherheit aus wissenschaftlicher Sicht nicht tragfähig begründen lässt.

Vorliegende Forschungen zeigen, dass unterhalb von 2 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum (zzgl. 40 % Aufschlag für Messungenauigkeit) keine Leistungseinbußen nachweisbar sind.

Der Verkehrsgerichtstag hat im Frühjahr 2023 eine Anhebung des Grenzwertes eingefordert.

Der Arbeitsvorschlag der Bundesanstalt für Straßenwesen liegt bei 2,8 bis 3 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Für die Verkehrssicherheit könnte, abweichend von einem Null-

Toleranzansatz, ein Gefahrengrenzwert im Sinne der Bundesanstalt für Straßenwesen festgelegt werden, der sich am Unfallrisiko und an Leistungseinbußen orientiert. Sollte das der Fall sein, muss jedoch gewährleistet werden, dass für Fahranfängerinnen und Fahranfänger analog zur Nullpromillegrenze bei Alkohol niedrigere Grenzwerte gelten. Hier sollte der bisherige analytische Grenzwert von 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum zwingend beibehalten werden. Erlangt die zuständige Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis von einem Cannabiskonsum im Zusammenhang mit dem Führen von erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen, ist schon bei einem gelegentlichen Konsum die Fahrerlaubnis in Gefahr. Nach Ziff. 9.2.2 (FeV) kann bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis die Eignung ausgeschlossen werden, wenn die Behörde davon ausgeht, dass der Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht getrennt werden kann oder wenn ein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung führt ein regelmäßiger Cannabiskonsum zur sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis.

 

4. Fazit und Empfehlungen

 

Nach einer Legalisierung sind Veränderungen des Konsumverhaltens und der Häufigkeit des Fahrens unter Cannabiseinfluss anzunehmen. Somit ist von ungünstigen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit auszugehen. Daher ist es unabdingbar, dass die Legalisierung von Cannabis mit umfangreichen Aufklärungs- und Informationskampagnen, insbesondere für junge Fahrende, begleitet wird. Junge Fahrende sind zusätzlich auf den besonders gefährlichen Mischkonsum von Alkohol und Cannabis hinzuweisen.

Für die Verkehrssicherheit ist der Konsum von Cannabis (aber auch von Alkohol) und die Teilnahme am Straßenverkehr grundsätzlich voneinander zu trennen. Es gilt: „Wer kifft, fährt nicht“. Für eine gesicherte Karenzzeit zwischen Konsum und Fahren ist zwingend zu

sensibilisieren und auf die fehlende Dosis-Wirkungs-Beziehung und ein abweichendes Abbauverhalten im Vergleich zu Alkohol hinzuweisen.

 

Sollte es im Zuge der Legalisierung zu einem neuen Grenzwert kommen, ist nach wie vor im Einzelfall immer zu prüfen, ob eine relative Fahrunsicherheit nach den §§ 315c/316 StGB in

Betracht kommt. Für Fahranfängerinnen und Fahranfänger müssen stets niedrigere Grenzwerte und eine Verlängerung der Probezeit, analog zu Alkohol, gelten.

 

Quelle: Deutsche Verkehrswacht